Ordnungsbehördliche Verordnung
zur Aufrechterhaltung der öffentlichen
Sicherheit und Ordnung im Gebiet
der Stadt Paderborn vom 12.03.1997
Aufgrund der §§ 27 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1; 31 des Gesetzes über Aufbau und Befugnisse der Ordnungsbehörden - Ordnungsbehördengesetz (OBG) - in der Fassung der Bekanntmachung vom 13.05.1980 (GV NW S. 528 / SGV NW 2060), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.04.2005 (GV NRW S. 274), und des § 5 Abs. 1 des Gesetzes zum Schutz vor Luftverunreinigungen, Geräuschen und ähnlichen Umwelteinwirkungen (Landes Immissionsschutzgesetz - LImschG -) in der Fassung vom 18.3.1975 (GV NW S. 232 / SGV NW 7129), zuletzt geändert durch Gesetz vom 12.12.2006 (GV NRW S. 622) wird von der Stadt Paderborn als örtliche Ordnungsbehörde gemäß Beschluss des Rates der Stadt Paderborn vom 22.09.08 mit Zustimmung der Bezirksregierung Detmold vom 30.07.2008 für das Gebiet der Stadt Paderborn folgende Verordnung erlassen:
§ 5 Tiere
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(4) Katzenhalter/innen, die ihrer Katze Zugang ins Freie gewähren, haben diese zuvor von einem Tierarzt kastrieren und mittels Tätowierung oder Mikrochip kennzeichnen zu lassen. Dies gilt nicht für weniger als 5 Monate alte Katzen. Als Katzenhalter/in im vorstehenden Sinne gilt auch, wer freilaufenden Katzen regelmäßig Futter zur Verfügung stellt.
(5) Für die Zucht von Rassekatzen können auf Antrag Ausnahmen von der Kastrationspflicht zugelassen werden, sofern eine Kontrolle und Versorgung der Nachzucht glaubhaft dargelegt wird. Im Übrigen bleibt § 16 unberührt.
Begründung:
Trotz erheblicher Kastrations- und Versorgungsbemühungen der Tierschutzvereine hat die Zahl der im Stadtgebiet Paderborn ausgesetzten, herrenlosen und verwildert lebenden Katzen und die damit einhergehenden Probleme in sehr starkem Maße zugenommen. Die betroffenen Tiere pflanzen sich unkontrolliert fort und müssen teilweise unter erbärmlichen und tierschutzwidrigen Umständen ihr Leben fristen. In Folge der hohen Katzenpopulation hat der Paderborner Tierschutzverein „Tiere in Not e. V.“ wegen Kapazitätsauslastung bereits im September 2007 einen bis jetzt anhaltenden Aufnahmestopp für Katzen anordnen müssen.
Aus veterinärmedizinischer Sicht ist die Kastration ab dem Ende des 3. Lebensmonats möglich. Die Geschlechtsreife kann ab dem 5. Lebensmonat eintreten, sodass ab diesem Zeitpunkt eine Kastration erfolgen soll. Anders als bei Wildtieren regelt sich die Populationsdichte bei wildlebenden Katzen nicht auf natürliche Weise. Die stellenweise erhebliche Bestandsdichte erhöht die Gefahr der Ausbreitung von Katzenkrankheiten und damit von kranken und leidenden Tieren erheblich. Hieraus resultieren insbesondere
1. gesundheitliche Gefahren für Menschen und für Haustiere;
2. moralische und hygienische Belästigung der Bevölkerung;
3. Dezimierung frei lebender, teilweise bestandsbedrohter Tiere;
4. Qualen verletzter und/oder kranker Katzen.
Zu 1.
Alle lokal tätigen Tierschutzvereine registrieren nicht nur einen steten Anstieg an zu versorgenden Katzen, sondern gleichzeitig auch einen überproportionalen Anstieg erkrankter Katzen.
Erkrankte Katzen scheiden im Vergleich zu nicht erkrankten Katzen ein Vielfaches an Krankheitserregern aus. Es ist unstrittig, dass mit Anstieg der Populationsdichte und der Zahl vorhandener Erreger die Infektionsgefahr auch für bisher gesunde Freigänger-Katzen steigt. Hierdurch sind auch die in menschlicher Obhut, aber mit Freigang gehaltenen Katzen einer erhöhten Gesundheitsgefährdung ausgesetzt.
Zu 2.
Sowohl beim Ordnungsamt, den für Tierschutzfragen zuständigen Kreis Paderborn – Fachbereich Veterinärwesen - als auch bei den Tierschutzvereinen steigt die Häufigkeit der Beschwerden aus der Bevölkerung über Katzen deutlich an. Insbesondere die hinterlassenen Ausscheidungen der Tiere sind Thema der Beschwerden, aber auch das Leiden und Sterben der Tiere oder tote Tiere im menschlichen Wirkungskreis. Hierbei ist nicht der Schutz dieser Tiere Haupttenor, sondern die Bewahrung der Beschwerdeführer vor „moralischen und hygienischen Zumutungen“. Darüber hinaus stellt diese Situation einen tierschutzwidrigen Zustand dar.
Zu 3.
Es ist bekannt, dass Kleinsäuger und insbesondere Vögel bis zur Hälfte ihrer Brut verlieren. Nach Verlust adäquater Nistmöglichkeiten durch menschliches Wirken werden dafür als Hauptursache Prädatoren (Beutegreifer) angesehen. An erster Stelle steht dabei die Katze, weil diese hier die höchste Populationsdichte aufweist. Aber längst nicht alle Opfer der Katze werden gefressen. Das Anpirschen und Ergreifen der Beute dient neben dem Nahrungserwerb auch dem Ausleben des Spieltriebs und bei Jungkatzen dem Einüben des Jagdtriebs.
Die Fachwelt erklärt, dass die hohe Katzendichte in städtischen und dörflichen Randbereichen bei bestandsgefährdeten Vogelarten entscheidend zum Erlöschen lokaler Singvogel-Populationen beiträgt.
Zu 4.
Je höher die Populationsdichte, desto knapper wird das Nahrungsangebot für die einzelne Katze und desto größer wird der soziale Stress. Beides begünstigt erhöhte Krankheitsanfälligkeit.
Leider wirken sich Sozialstress und Nahrungsmangel kaum auf die Vermehrungsrate aus. Ein weiterer Anstieg der Population frei lebender Katzen in Paderborn wird mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem überproportionalen Anstieg erkrankter Katzen führen. Die erkrankten Tiere erleiden oft große Qualen und gefährden die menschliche und tierische Gesundheit.
Erheblich erkrankte Tiere sind zu versorgen, unabhängig von ihrer Eigenschaft als Fundtiere oder herrenlose Tiere, zumal deren Unterscheidung nicht immer deutlich gelingt.
Eine Akzeptanz des Populationsanstiegs verwilderter Katzen über das bereits im Stadtgebiet Paderborn erreichte, kaum noch erträgliche und offensichtlich nicht mehr beherrschbare Maß hinaus, verstößt gegen § 1 des Tierschutzgesetzes.
Es hat sich gezeigt, dass die bisher betriebenen und weiterhin laufenden Kastrationen herrenloser Katzen durch die Tierschutzvereine für sich allein gesehen nicht geeignet sind, wirkungsvoll und dauerhaft eine Stabilisierung der Population auf niedrigem Stand zu gewährleisten.
Zum Zwecke der Gefahrenabwehr müssen deshalb weitergehende ordnungsrechtliche Maßnahmen getroffen werden.
Der Bestand verwilderter unkastrierter Katzen als auch der Bestand nur locker über Futterangebote an den Menschen gewohnter unkastrierter Katzen ergänzt sich ständig aus den vorhandenen Freigängerkatzen, deren Nachkommen nicht in menschlicher Obhut aufgenommen werden. Durch das Kastrations- und Kennzeichnungsgebot für freilaufende, in Obhut des Menschen gehaltene Katzen, können die geschilderten Probleme deutlich abgeschwächt werden.
Eine flächendeckende Kastration auf freiwilliger Basis ist nicht ebenso effektiv. Dies zeigt sich daran, dass Angebote in der Vergangenheit, die auf Freiwilligkeit der Katzenhalterinnen und Katzenhalter abzielten, erfolglos blieben, obwohl den Betroffenen die Kostenübernahme (teilweise) zugesichert wurde.
Soweit Hauskatzen so gehalten werden, dass sie nicht ins Freie gelangen können, bedarf es keiner Kastration. Die Katzenhalterinnen und Katzenhalter können somit bereits durch entsprechende Haltung dem Gebot, die Katze kastrieren und kennzeichnen zu lassen, entgehen.
Die Formulierungen des Absatzes 5 und des § 16 ermöglichen der Ordnungsbehörde zudem, über den Fall der Zuchtkatzen hinaus in weiteren besonderen Fällen den Katzenhalterinnen und den Katzenhaltern von der Pflicht zur Kastration zu befreien. Dies könnte beispielsweise für einen Landwirtschaftsbetrieb gelten, der auf Katzennachwuchs im gewissen Rahmen angewiesen ist.
Das Kastrations- und Kennzeichnungsgebot verstößt nicht gegen tierschutzrechtliche Bestimmungen.
Im Gegenteil, die Regelungen stehen vielmehr mit dem Tierschutzgesetz (vgl. § 1) ausdrücklich im Einklang. Aus diesem Grunde befürworten und fordern aktuell z. B. der Paderborner Tierschutzverein, verschiedene Tierschutzverbände, die Tierärzte des Kreises Paderborn und die Bundestierärztekammer (vgl. Anlagen 3 - 9) die Aufnahme der genannten Gebote in die Ordnungsbehördlichen Verordnungen der Gemeinden.
Es wird nicht verkannt, dass aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen die Durchsetzung der Verordnung schwierig werden wird. So dürfte beispielsweise die Klärung der Eigentümerstellung bzw. Haltereigenschaft von nicht kastrierten Katzen-Freigängern nicht immer möglich sein, weil es anders als bei Hunden ein entsprechendes Halterverzeichnis nicht gibt.
Überdies muss grundsätzlich auch in Erwägung gezogen werden, dass aufgegriffene Katzen ausnahmsweise entlaufen und damit keine Freigänger im eigentlichen Sinne sein könnten.
Weiter ist anzunehmen, dass die Personen, die Katzen regelmäßig füttern oder Futter regelmäßig im Freien bereit stellen, sich nicht die Mühe machen werden, zu kontrollieren, ob die Tiere kastriert sind, geschweige denn, diese kastrieren zu lassen.
Besondere Kosten, die über die üblichen allgemeinen Verwaltungskosten hinausgehen, werden vermutlich nicht anfallen, weil die Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen von Außendienstmitarbeitern des Ordnungsamtes im täglichen Geschäft mit erledigt wird.
Unterstützt werden die Kontrollen vom Fachbereich Lebensmittelüberwachung und Veterinärwesen der Kreisverwaltung Paderborn.
Stellungnahme der Tierärzte des Kreises Paderborn:
„Maßnahmen zur Eindämmung der unkontrollierten Vermehrung herrenloser Katzen“
lm Rahmen der regelmäßig stattfindenden Kreisstellenversammlung (Versammlung aller Tierärzte des Kreises Paderborn) wurde von Herrn Dr. Lang, Veterinäramt des Kreises, über die derzeitige Situation herrenloser Katzen berichtet.
Durch die seit längerer Zeit ansteigende Katzenpopulation trotz massiver Kastrationsbemühungen gibt es tierschutzrelevante Missstände. Die Stadtverwaltung Paderborn wird aufgrund steigender Fundkatzenaufnahmen in das Tierheim Schloß-Neuhaus bis hin zum Aufnahmestopp und weiterhin steigender Zahlen herrenloser Katzen vorgeschlagen, ein Kastrationsgebot mit folgendem Wortlaut in die ordnungsbehördliche Verordnung der Stadt Paderborn aufzunehmen:
„Wer einer von ihm gehaltenen Katze Zugang ins Freie gewährt, hat diese zuvor von einem Tierarzt kastrieren und kennzeichnen (Tätowierung oder Mikrochip) zu lassen.
Wer freilaufende Katzen füttert oder sonst im Freien Katzen Futter zur Verfügung stellt, hat dafür Sorge zu tragen, dass die gefütterten Katzen durch einen Tierarzt kastriert und gekennzeichnet wurden sofern sie nicht nachweislich bereits kastriert sind.
Das zuständige Ordnungsamt kann auf Antrag Ausnahmen von der Pflicht zur Kastration erteilen, sofern es für die Zucht von Rassekatzen erforderlich ist."
Im Rahmen der Kreisstellenversammlung der Tierärzteschaft des Kreises Paderborn am 23. Januar 2008 wurde einstimmig festgestellt, dass die Aufnahme des Kastrationsgebotes in die ordnungsbehördliche Verordnung der Stadt Paderborn im Sinne des Tierschutzes erforderlich und fachlich gerechtfertigt ist.
Sie wird daher von der Tierärzteschaft des Kreises Paderborn ausdrücklich begrüßt.
Auch die Bundestierärztekammer unterstützt ein derartiges Vorgehen.
Für die Kreisstelle Paderborn
Dr. C. Sudendey ,
- Kreisstellenvorsitzender
Das Paderborner Modell für eine Kastrationspflicht bei freilaufenden Katzen könnte bald deutschlandweit Schule machen. Im Rahmen der geplanten Änderung des Tierschutzgesetzes wird die Bundestierärztekammer der Bundesregierung empfehlen, die Idee zur allgemeinen Vorschrift zu machen. Radio Hochstift-Reporter Thorsten Heggen:
http://www.radiohochstift.de/Archiv-Lokales.100+M5939b88070a.0.html
Hier die Empfehlung im Wortlaut:
Beschluss: Der Bundestierärztekammer-Tierschutzausschuss begrüßt den Vorstoß der Stadt Paderborn zur Behebung der Überpopulation frei lebender Katzen und fordert Gemeinden und Landkreise auf sich diesem Vorgehen anzuschließen. Bund und Länder sollten das bestehende Modell unterstützen und weitere Pilotprojekte fördern. Die Bundestierärztekammer wird in einem Schreiben an das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz vorschlagen, bei einer anstehenden Revision des Tierschutzgesetzes das Kennzeichnungs- und Kastrationsgebot aufzunehmen.
Quelle: Stadt Paderborn